Die Baunscheidtmethode

7.2 Baunscheidtöl

Das Geheimnis des "Original-Oleum-Baunscheidtii"- ist bis heute nicht gelüftet worden, außer jenen Inhaltsstoffen, die Baunscheidt gezwungenermaßen nach Berlin ans Innenministerium melden mußte. Ob diese Rezeptur vollständig gewesen ist, wird bezweifelt. Ebenfalls ist nicht geklärt, ob Croton tiglium, das Samenöl eines Wolfsmilchgewächses von stärkster Toxizität, als Inhaltsstoff bei Baunscheidt überhaupt verwendet wurde. Die Erbengemeinschaft Baunscheidt hat dieses wiederholt bestritten.

Bei Anwendung von crotonölhaltigen Präparaten werden neben eitrigen — erwünschten — Hautreaktionen auch Narbenbildung durch Sekundärheilung und Pigmentveränderungen der Haut berichtet. Crotonöl selbst ist seit längerer Zeit in der Diskussion.

Aus dem Samenöl des Wolfsmilchgewächses Croton tiglium L. konnte ein l2-Tetradecanoyl-porbol-acetat (TPA) isoliert werden.

Bereits 1941 wurden Bestandteile des Crotonöles als begünstigender Faktor für Tumorwachstum an Mäusehaut angesehen.

Es ist heute bewiesen, daß TPA stark tumorprovozierende Eigenschaften besitzt, es wird in der klinischen Forschung als Standardsubstanz für das Studium der Tumorgenese an Mäusehaut oder in verschiedenen anderen Zellsystemen verwandt.

In der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceen) sind C20-Verbindungen als Diterpene mit verwandten Grundstrukturen weitverbreitet. Ein Kennzeichen des Milchsaftes von den Euphorbiaceen, besonders von Croton tiglium L., ist neben einer Cokanzerogenität nach Hecker auch eine starke Reizung der Haut. Hier werden durch Kontakt mit der Epidermis Blasen und Nekrosen, am Auge eine Keratitis hervorgerufen. Bei oraler Aufnahme kann es zu einer tödlichen nekrotisierenden Gastroenteritis kommen.

Um die Jahrhundertwende noch als Laxans benutzt, ist Crotonöl, in der Dosierung von 0,5 bis 1 ml als Abführmittel eingesetzt, für Menschen tödlich!

Nach Toxinaufnahme erfolgt die Therapie symptomatisch bei ernster Prognose.

In den heute gängigen Rezepturen, die nachfolgend dargestellt werden, ist die tatsächliche Aufnahme von Crotonöl als Externum sehr gering.

Aschner übermittelte bewährte magistral hergestellte Crotonölmischungen, von denen hier eine Auswahl vorgestellt wird:

Rp.: Ol. Croton 10.0
Ol. Cajeputti 5.0
Spir. vin. dil. 5.0
Rp.: Ol. Croton 4.0
Ol. Canthar 20.0
Ol. Therebinth 20.0
Ol. Rapai 60.0
Rp.: Ol. Therebinth 20.0
Ol. Croton 20.0
Ol. Sassafras 20.0
Ol. Olivar 40.0

Notabene: Crotonöl ist rezeptpflichtig!

Im Handel existieren mehrere crotonölhaltige Fertigpasten, über die die Rote Liste informiert.

Die Kenntnis der doch beträchtlichen Nebenwirkungen von Crotonöl hat aus Verantwortlichkeit die Ärzte und die Pharmaindustrie nach neuen Ölgemischen suchen lassen: Es ist bis heute nicht sicher bewiesen, daß nur stark pustelerzeugende (Baunscheidt-)Öle den gewünschten Heileffekt bringen.

Der Autor ist der Meinung, daß ein dauerhafter Therapieeffekt — gemäß vieler naturheilkundlicher Erfahrungswerte — gerade in einer moderaten Stimulation zu suchen ist, wie viele andere Ergebnisse beweisen. Überstimulation kann auch Blockade bedeuten.

Als Alternative bietet sich ein Baunscheidtöl an, das seit fast zwei Jahrzehnten wertvolle Dienste leistet. Dieses crotonölfreie Baunscheidtöl ist als Fertigarzneimittel der Firma Galmeda als "GA 301-Redskin 301" im Handel.

Die Zusammensetzung lautet wie folgt:

In 100 g Liquidum sind enthalten:

Histaminhydrochlorid 1,0 g
Oleum caryophylli 2,5 g
Oleum juniperi 2,5 g

Pharmakologisch sind folgende Wirkungen interessant: Histamin wirkt als biogenes Amin kapillarerweiternd und steigert lokal die Gefäßpermeabilität. Einerseits werden auf diese Weise Makrophagen vermehrt ausgeschleust und andererseits Regulationsmechanismen aktiviert. Oleum caryophylli (Nelkenöl) zeigt eine anästhetische und antiseptische Wirkung. Wacholderöl (Oleum juniperi) unterstützt die bereits vorliegende Hyperämie.

Bei Anwendung dieser Rezeptur treten keine Eiterpusteln auf, sondern wir erhalten Hautreizquaddeln. In der alten Terminologie der Humoralpathologie gesprochen, verwenden wir mit GA 301-Redskin 301 ein Ableitungsmittel.

Reaktiv tritt nach Anwendung des GA 301-Öles eine leichte Analgesie ein, die nach Kenntnis der neurophysiologischen Daten erwünscht ist. Nachfolgend ist eine meßbare Hyperämie bestimmbar, die im Sinn eines Katalysators die Zeilregulationsmechanismen beschleunigt ablaufen läßt.

Die Quaddeldauer beträgt — je nach Reaktionslage des Patienten — 12 h bis maximal 24 h.

Die Quaddelbildung ist annähernd nebenwirkungsfrei und kann nach Abklingen der Hautreaktion erneut stimuliert werden. Allergische Reaktionen auf die Inhaltsstoffe, die sehr selten beobachtet wurden, sind vor Beginn der Therapie auszuschließen.

Interessanterweise sind allergische Erkrankungsbilder wie Bronchialasthma oder Heuschnupfen in dieser Therapieform keine absoluten Kontraindikationen. Hier kann erahnt werden, welches weite Therapiefeld sich eröffnet, wenn Umstimmungstechniken vorsichtig und moderat angewendet werden. Eine zurückhaltende Baunscheidttherapie mit einer angepaßten Einreibung, z. B. GA 301-Redskin 301, und einer ergänzenden oralen Therapie kann eine Sanierung des gesamten Terrains bedeuten. In praxi sind hier viele Remissionen gelungen.

Aufgrund der dargestellten Problematik ist es deshalb besonders wichtig, den Patienten schriftlich aufzuklären, was sehr umfassend gestaltet sein sollte:

  1. Ausführliche Beschreibung des Eingriffs mit ausreichender Darstellung der Nebenwirkungen.
  2. Veränderungen der Hautoberfläche mit Zeitdauer und möglichen längerdauernden Veränderungen.
  3. Das vorwiegend gewünschte therapeutische Ziel.
  4. Unterschrift nicht vergessen!

Eine zurückhaltende Anwendung ist bei niedrigem Blutdruck und während der Menses geboten.


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