Die Baunscheidtmethode

1. Einleitung

Das zunehmende Interesse an medizinischen Fragen im Zeitalter der medizinischen Hochtechnologie läßt aufgrund neuerer Untersuchungen der Zellularpathologie die Frage neu aufleben, ob die alten hautreizenden Behandlungsmethoden nicht doch eine wertvolle Therapieergänzung darstellen. Dies soll in dem vorliegenden Handbuch näher untersucht werden.

Unsere Haut dient in ihrem Aufbau nicht nur als Schutzbarriere, sondern hat eine Vielzahl humoraler und vegetativ steuernder Aufgaben. Als Mittlerin zwischen Innen- und Außenwelt reduziert die Haut den Ansturm von Arzneistoffen, Krankheitserregern, chemischen Belastungen usw. von außen, Toxine und Stoffwechselprodukte werden durch sie nach außen abgeleitet.

Neben den natürlichen Faktoren, die alltäglich unsere Haut reizen — Licht, Luft, Sonne, Wasser — und somit täglich bestimmte notwendige Lebensvorgänge anregen, kennen wir Faktoren aus der Erfahrungsheilkunde und wenden diese noch heute in vielen balneo-physikalischen Therapieformen an. Neben diesen Anwendungsformen werden in tradierter Weise jedoch zusätzlich hautreizende Methoden benutzt, die eine weiterführende therapeutische Wirkung auslösen, die über vegetative Umschaltmechanismen erklärt werden können. Diese Anwendungsmethoden sollten vor allen Dingen therapeutisch abgestuft werden: Die mildeste Form sind die Derivanzien und Pustulantien, die ihre Steigerung im Baunscheidtismus und in der Vesikation finden. Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ist hier wertvolles Erfahrungsgut verlorengegangen, das heute nur mühsam nachgearbeitet werden kann.

Die alte Weisheit von Paracelsus: "Wo die Natur einen Schmerz erzeugt, dort will sie schädliche Stoffe anhäufen und ausleeren, und wo sie dies nicht selbst fertigbringt, dort mache ein Loch in die Haut und lasse die schädlichen Stoffe heraus."

Daß hier hochkomplexe zelluläre Reaktionen ablaufen, zeigen die Ergebnisse im Forschungsbereich "System der Grundregulation", von denen Paracelsus verständlicherweise noch nichts wissen konnte. Aber intuitiv hat er vielleicht doch schon vieles geahnt.

Der Extrazellularraum — eine unterschätzte Größe in der Zellularpathologie — scheint diesen tradierten Hautreizmethoden einen neuen Einzug in die Standardtherapie der Naturheilkunde zu bereiten.

Gerade diese Grundsubstanz — die netzförmig aus Kollagen, Elastin, Fibronektin, Proteo- und Glykosaminoglykanen besteht — stellt eine wichtige Schlüsselfunktion in der aus- und ableitenden Therapie des Baunscheidtierens dar. Die Anknüpfungspunkte sind mannigfaltig:
- unspezifische Stimulation des Immunsystems
- Aktivierung des kutiviszeralen Reflexbogens.

Hier soll nur eine vorübergehende Auswahl getroffen werden, da die Ergebnisse zur Zeit laufender weiterer Untersuchungen zusätzliche Informationen liefern und diese später diskutiert werden.

Das Nadelstichphänomen, welches über eine Fibrozytenaktivierung viele Lokal- und Fernreaktionen steuert, bedeutet doch, daß Paracelsus eine Ahnung gehabt haben muß, welche therapeutischen Möglichkeiten uns diese hautableitende Therapie eröffnen kann. Welche therapeutischen Ziele Sie mit dieser Therapie verfolgen können, möchte dieses Handbuch Ihnen naheführen und Sie ermuntern, diesen Therapieweg zu beschreiten.


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