2. Historie
Carl Baunscheidt (1809-1873) erfand in Endenich bei Bonn sein Dermatobiotikum (Hautbeieber), den Vorläufer der modernen Baunscheidtgeräte, die noch heute in ähnlicher Form auf dem Markt sind.
Der Erfinder und Mechaniker Baunscheidt hatte im Laufe seines Lebens schon vor seiner engen Bindung an die Medizin einige wesentliche Erfindungen an seine Nachwelt vermitteln können:
Neben militärischen Erfindungen, wie einer Visiereinrichtung an Zündnadelgewehren (1870), war sein Betätigungsfeld überwiegend zivilen Zielen gewidmet. Unter seinen zahlreichen zivilen Erfindungen läßt sich als herausragendes Ergebnis ein Forstkultivator — eine Art Waldpflug — nennen, dessen modifizierte Form noch heute im Einsatz ist. Seine medizinischen Erfindungen sind wie folgt skizziert:
Eine Brustmilchpumpe, die in dem ausgehenden 19. Jahrhundert bei Mastitis angewendet wurde. Außerdem erfand Baunscheidt einen künstlichen Blutegel, über den die Historie aber schweigt. Die Erfindung des Dermatobiotikums, über dessen eigenartige Geschichte nachfolgend berichtet wird, führte zum Durchbruch seiner Medizintechnikerkarriere.
Der Historiker berichtet folgendes: Baunscheidt litt in jenen Tagen an einer rheumatischen Erkrankung eines Armes und hatte typische schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Fingergelenke und des Handgelenkes, wie wir es heute bei der rheumatoiden Arthritis kennen.
Bekannt ist, daß sich diese Krankheit schlecht mit der Tätigkeit eines Mechanikers verbinden läßt.
Die Behinderung durch den Gelenk- und Sehnenbefall mit morphologisch entzündlichen Veränderungen wurde durch folgendes Erlebnis nachhaltig beeinflußt: An einem Sommerabend saß Baunscheidt in seinem Garten und wurde von mehreren Mücken an der rheumatisch geplagten Extremität gestochen. Durch die Stichverletzungen und das Mückensekret kam es zu einer Entzündungsreaktion mit nachfolgender Ausheilung.
Die Familienchronik der Baunscheidts berichtet, daß der Erfinder zu diesem Zeitpunkt Kontakt zu einem Missionar aus China gehabt hat, der ihm von den Erfolgen der Nadelstichtherapie der Chinesen — der Akupunktur — berichtete. Diese Kenntnis, daß Nadelstiche Krankheiten heilen können, brachte Baunscheidt auf den Weg zu seinem Dermatobiotikum.
Ein Nadelgerät wurde in Gestalt und Mechanik konzipiert, wie es auch heute noch zur Anwendung kommt. Das Mückensekret selbst wurde in einem Kräuteröl künstlich nachvollzogen, dessen Rezeptur als Familiengeheimnis unter Verschluß gehalten wurde. Allerdings haben Baunscheidt und seine Erben auf Drängen des preußischen Innenministeriums eine Zusammensetzung veröffentlichen müssen. Die gemeldete Zusammensetzung war crotonölfrei (!) und bestand aus Rainfarnöl, Schwarzpfefferöl, Oliven- und Knochenöl. Daß diese Inhaltsstoffe der Originalzusammensetzung entsprachen, wurde immer bezweifelt.
Interessant ist diese Tatsache ohnehin, da das Crotonöl in der forensischen Diskussion ist, kanzerogen oder cokanzerogen zu wirken. Heute gibt es Baunscheidtöle auf dem Markt, die — crotonölfrei — sehr gute Effekte erzielen können.
In der damaligen Fachwelt erregte der medizinische Laie Baunscheidt großes Aufsehen, daß sogar die medizinische Fakultät Bonn diese neue Behandlungsmethode in ihre klinische Erprobung aufnahm.
Es erschien auch ein Leitartikel in der Rheinischen Monatszeitschrift für praktische Ärzte.
Einen großen Durchbruch erzielte die Methode durch ihre Erfolge in der Anwendung im ausgehenden 19. Jahrhundert. Unterstützt wurde der Aufschwung durch eine erfolgreiche Anwendung in der Laienselbsthilfe. Wo Erfolg ist, sind bekanntlich auch Neid und Mißgunst. Fälscher und Nach-"Neu"-Entdecker gaben der Methode den Rest.
Aschner berichtet, daß im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nur noch spärliche Informationen über Technik, Mechanik und Anwendung zu bekommen waren. Vieles wurde von ihm in kriminalistischer Einzelrecherche wieder an das medizinische Tageslicht gebracht.
Trotzdem verbreitete sich die Methode über den ganzen Kontinent und war gebräuchlich unter den Leibärzten der führenden Dynastien. (Englischer Schutzbrief für Baunscheidtismus.)
Selbst auf den Linienschiffen war in der Kapitänskajüte ein Baunscheidtsystem (Lebenswecker + Öl) anzutreffen.
Baunscheidt starb 1873 als angesehener Schloßbesitzer. Als Laie in der Medizin wurde er für viele Patienten — in einer Zeit ohne Antiphlogistika und Antirheumatika — zum Anlaufpunkt für ihre Beschwerden.
Es sollte ein Anliegen der "Moderne" sein, mit der technischen Ausrüstung des ausgehenden 20. Jahrhunderts alte erfahrungsheilkundliche Methoden ihrem Stellenwert entsprechend einzusetzen oder ihre Position neu zu ordnen.