Die Baunscheidtmethode

5. Der Extrazellularraum,
die Regulative in der Zellularpathologie

Virchow war einer der ersten, der die Pathologie zu seiner Zeit von vielen Unklarheiten und Verschwommenheiten befreite. Heute wissen wir, daß der Zellbegriff nicht mehr als Abstraktum im Vordergrund steht, sondern immer in Verbindung mit dem Extrazellularraum als Gesamteinheit gesehen werden muß.

In Wirklichkeit gibt es hier, wie die Forschungen von Pischinger und Heine zeigen, einen engen Austausch zwischen Parenchym, terminalem Blutkapillarnetz und Nervenendigungen. Für das Verständnis der Baunscheidtmethode ist diese Regulative in der Zellularpathologie von wesentlicher Bedeutung und wird deshalb erläutert:

Alle Zellen unseres Körpers stehen mit der sogenannten Grundsubstanz, die den gesamten Extrazellularraum des Organismus durchzieht, in Verbindung. Hier wird die Ver- und Entsorgung der Zellen mit Nahrungssubstraten geregelt, aber auch humorale und neurogene Informationen an die Zellen weitergegeben. Somit ist der selektionierte Zellbegriff in der virchowschen Abstraktion durch Mikrozirkulation-Grundsubstanz und erst dann durch die Zelle selbst zu ergänzen.

Die Grundkonzeption des Extrazellularraumes und der Grundsubstanz besteht strukturmäßig aus Glykoproteinen wie Kollagen, Elastin, Fibronektin, Glykosamino- und Proteoglykanen, die als großes Molekularsieb wirken. Eine Regulative innerhalb des Molekularsiebes ist die Diffusion.

Durch negativ geladene Zuckerpolymere findet ein Ionenaustausch statt, der die Isoionie, Isoosmie und Isotonie im Extrazellularraum regelt.

Im Zentrum von allen Regulationsmechanismen steht der Fibrozyt, der eine situationsangepaßte Grundsubstanz liefert:

Bereits unter der Wirkung von Katecholaminen resultiert — über terminal-vegetative Axone — eine Veränderung des elektrostatischen Grundtonus. Nach der Veränderung des Glykokalix (Zuckeroberflächenfilm) des Fibrozyten produziert dieser vermehrt Kollagen (Dermantansulfat). Eine vermehrte Stimulation durch situationsgebundene Ereignisse, wie z. B. Streß, akute und chronische Entzündungsreize, bedeutet — durch chronischen Einstrom von Katecholaminen — eine Störung des Milieus und letztendlich eine Abkopplung der Parenchymzellen vom Extrazellularraum.

Als nächstes Regulativ tritt zu diesem Zeitpunkt der aktivierte Granulozyt in Funktion. Dieser sezerniert aus dem Zytoplasma Granula, die als Botenstoffe den Fibrozyten veranlassen, die gestörte Homöostase neu zu regulieren.

Zusammengefaßt heißt dies im übertragenen Sinne, daß über die Grundsubstanz ganze "Organ"-Zellverbände reguliert werden können und auf diese Weise eine Selbstregulation des Organismus angestrebt wird.

Glykosaminoglykane haben einerseits eine Filterwirkung, die experimentell sogar einen antitumoralen Effekt in der optimierten Form haben kann.

Andererseits können hier Molekularfunktionen wie Carriermechanismen (experimentell: Einschleusen von Zytostatika in Zellkerne) in ihrer Transportfunktion beansprucht und ausgenutzt werden. Dieser Carriereffekt kann sowohl als Transportweg intra- als auch extrazellular aktiv genutzt werden. Bei speziellen Therapieformen der Hautausleitung und Hautableitung werden diese Carriermechanismen einen entscheidenden Anteil in der therapeutischen Anwendung haben.

Unter diesen Gesichtspunkten tritt eine Indikation besonders in den Vordergrund: die chronische Entzündung.

Diesen Pathomechanismus finden wir bei einer Vielzahl von Erkrankungsbildern. Der entzündliche Prozeß selbst kann subakut oder latent verlaufen. Die Regulationsmechanismen werden gleichermaßen aktiviert über die dargestellten Carrier- und Drainagemechanismen.

Zusätzlich steigert die Aktivierung der Granulozytenreihe die Sanierung des Terrains durch Verbesserung der lokalen immunologischen Faktoren.

Diese Phänomene werden in der hier vorgestellten Baunscheidttherapie angewandt und sollten deshalb die klinische Diskussion neu beleben.


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